Terroristen sind fast immer auch Frauenhasser. Dieser Zusammenhang wird immer noch nicht berücksichtigt, obwohl dadurch Schlimmes verhindert werden könnte.
Nach Terroranschlägen wie dem grausamen Attentat Anfang November in Wien, sind unsere Reaktionen so vorhersehbar wie ihre. Während das rechte politische Spektrum nach islamistischem Terror reflexartig Gesetzesverschärfungen und Ausbürgerungen fordert, warnen wir „linken Feministinnen“ ebenso verlässlich vor der rechten Instrumentalisierung solcher Taten. Wir erinnern daran, dass es auch andere Formen tödlichen Terrors gibt, der jedoch weit weniger politische Empörung und Entschlossenheit hervorruft. Was uns wiederum sofort den Vorwurf einhandelt, solche Ereignisse relativieren oder gar rechtfertigen zu wollen und dabei das Problem des radikalen Islamismus zu ignorieren.
Deshalb sei zuallererst auf diesen Einwand erwidert: Ja, islamistische Radikalisierung ist ein Problem, das ernstgenommen werden muss. Es genügt nicht, im Gegenzug nur auf das massive Problem der oftmals gar nicht als Terror wahrgenommenen rassistischen oder sexistischen Gewalt zu verweisen. Wer sonst jeder intersektionalen Verästelung unterschiedlichster Gewaltformen nachgeht, sollte tunlichst auch die besondere Form radikalislamistischer Gewalt angemessen analysieren und ansprechen.
Fatale Fehler
Dies vorausgeschickt, möchte ich darauf hinweisen, dass man solche monströsen Taten keineswegs rechtfertigt, nur weil man sie einordnet und Parallelen aufzeigt. Denn nur so lassen sich mögliche Gegenstrategien finden, um sie künftig hoffentlich zu verhindern.
Ein Anti-Terror-Paket übers Knie zu brechen, um von den eigenen fatalen Fehlern abzulenken, wie es die österreichische Regierung nun vorhat, ist daher eindeutig ungeeignet. Es ist offensichtlich, dass der Anschlag in Wien im bestehenden Rechtsrahmen hätte verhindert werden können, wenn die Behörden ihre Arbeit gemacht hätten. Und man muss gar nicht mit dem Schutz fundamentaler Menschenrechte argumentieren, um Vorschläge wie eine lebenslange Präventivhaft abzulehnen – es lassen sich ganz einfach mangelnde Erfolgsaussichten anführen. Solche Taten werden mit Abschiebung und elektronischen Fußfesseln selten verhindert. Dem ihnen zugrundeliegenden menschenverachtenden Neofundamentalismus muss stattdessen eine demokratische Debatte mit einem anderen Menschenbild entgegensetzt werden. Und vor allem auch: einem anderen Frauenbild.
„Macho-Religiosität“
Terror ist – auch wenn es vereinzelt Terroristinnen gab und gibt – ein männliches Phänomen. Er ist gelebte Männerfantasie, wie es der Autor Klaus Theweleit ausdrückt, der mit seinem gleichnamigen Standardwerk den Grundstein der Männerforschung gelegt hat. Mit „Das Lachen der Täter “ verfasste er zusätzlich auch eine umfangreiche Studie über Terroristen. Natürlich kommt auch Anders Behring Breivik darin vor, der 77 Menschen ermordete und dabei nicht nur von Rassismus, sondern auch von glühendem Frauenhass getrieben war. Letzterer verbindet Attentäter weltweit miteinander, egal ob ihr geschlossenes Weltbild ein rechtsextrem oder islamistisch geprägtes ist. „Breivik ist strukturell patriarchalischer Muslim wie auch norwegisch-christlicher Antisemit wie auch germanisch-sektierischer SS-Mann“, schreibt Theweleit.
„Macho-Religiosität“, nennt das der Terrorismustheoretiker Mark Juergensmeyer, der betont, dass sich die Terroristen – in der Regel sind es heterosexuelle junge Männer zwischen 15 und 30 Jahren – trotz widerstreitender Ideologien und Religionen – in ihrer militanten Männlichkeit kaum voneinander unterscheiden.
Gerade auch rechtsradikaler Terror zeichnet sich durch eine maskulinistische, männerbündische und immer auch homofeindliche Frauenfeindlichkeit aus.
Die Menschenrechtsorganisation Anti-Defamation League warnt vor der Allianz von Antifeminismus und Antisemitismus und weist darauf hin, dass Frauenhass oft den Einstieg in rechtsextremes Denken und Handeln bedeutet.
Antifeministischer Terror
Der antifeministische Täterreigen von Halle und Hanau, Christchurch, El Paso und Toronto, wo ein sogenannter „Incel” mit einem Lieferwagen hauptsächlich Frauen tötete, macht das deutlich. Denn die Täterprofile zeigen, dass jeweils gekränkte Männlichkeit, ein subjektiv empfundener männlicher Kontroll- und Identitätsverlust vorhanden war und die Tat motivierte. „Terroristische Gewalt kann, so gesehen, als eine Art symbolischer Machtaneignung durch Männer auftreten, deren traditionelle sexuelle Rolle, ihre Männlichkeit an sich, als gefährdet erscheint“, schreibt Juergensmeyer über diese „Cowboy-Mönche“ die allesamt „antiinstitutionelle, religiös-nationalistische, rassistische, sexistische, bombenwerfende junge Männer“ seien.
Nicht nur bei den Incels, deren Selbsthass jederzeit in Gewalt gegen andere umschlagen kann, ist die Selbstentwertung dabei zentraler Beweggrund. Auch die „Banlieue-Terroristen”, die wie der Wiener Attentäter in Europa aufwachsen, sind von Selbsthass getrieben, sagt der Islamismus-Experte Olivier Roy: „Eines schönen Tages bekehren sie sich zum Salafismus und verdrehen ihren Nihilismus und Selbsthass in den Hass auf den Westen.“
Doch während es bei jihadistischem Terror regelmäßig als Entschuldigung missverstanden wird, wenn auch soziale und psychologische Motive angeführt werden, geschieht bei antifeministischem Terror, wie er sich weltweit in Femiziden und Gewaltexzessen gegen Frauen zeigt, das genaue Gegenteil: Er wird konsequent entpolitisiert. In der Folge werden Tötungsdelikte nicht als Terror, sondern als individuelle Wahnsinnstat eingeordnet (Was übrigens die 16 Tage gegen Gewalt skandalisieren, die jährlich vom 25. November bis 10. Dezember begangen werden).
Anfang 2020 bezeichneten US-Behörden radikale Maskulinisten erstmals „als wachsende Inlandsterrorismus-Bedrohung“. Der Rechtsextremismusforscher Andreas Hechler fordert daher: „Man sollte auch von antifeministischem Terror sprechen“.
Warnzeichen ernst nehmen
Gesinnungsprüfungen, die Teil von Deradikalisierungsprogrammen sind, sollten das Frauenbild von potentiellen Gefährdern daher unbedingt als wichtigen Indikator berücksichtigen. Joan Smith, Autorin des unlängst erschienen Buches „Homegrown: How Domestic Violence Turns Men Into Terrorists“ belegt eindringlich, dass frauenfeindliche Gewalt Bestandteil des klassischen Täterprofils ist. Terroranschläge sind Folgen toxischer Männlichkeit und sie beginnen meist hinter verschlossenen Türen, zeigt Smith. Sie hat die Biografien dutzender Attentäter analysiert – nahezu alle waren bereits als häusliche Gewalttäter aktenkundig. Antiterror-Maßnahmen sollten Gewalt gegen Frauen und antifeministische Ideologie als Warnzeichen ernst nehmen – es würde Leben retten.